Chemienobelpreis 1988: Johann Deisenhofer — Robert Huber — Hartmut Michel

Chemienobelpreis 1988: Johann Deisenhofer — Robert Huber — Hartmut Michel
Chemienobelpreis 1988: Johann Deisenhofer — Robert Huber — Hartmut Michel
 
Die drei deutschen Wissenschaftler erhielten den Nobelpreis für die Erforschung des Reaktionszentrums der Photosynthese bei einem Purpurbakterium.
 
 Biografien
 
Johann Deisenhofer, * Zusamaltheim (Kreis Dillingen) 30. 9. 1943; ab 1971 am Max-Planck-Institut für Biochemie in Planegg-Martinsried (bei München), ab 1988 Professor an der University of Texas in Dallas; Arbeiten über Röntgenstrukturanalyse von Biomolekülen.
 
Robert Huber, * München 20.2. 1937; ab 1976 Professor in München, ab 1986 Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Planegg-Martinsried (bei München); Arbeiten über Struktur und Funktion von Biomolekülen.
 
Hartmut Michel, * Ludwigsburg 18.7.1948; ab 1979 am Max-Planck-Institut für Biochemie in Planegg-Martinsried (bei München), ab 1987 Direktor der Abteilung Molekulare Membranchemie am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main. Arbeiten über Biomoleküle.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Ihre wichtigste chemische Reaktion hatten Hartmut Michel und Johann Deisenhofer im Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München zwischen 1982 und 1985 aufgeklärt. Ungewöhnlich rasch für die übliche Bedächtigkeit des Nobelpreiskomitees in Stockholm — mancher Laureat hat ein halbes Jahrhundert auf den Preis warten müssen — wurden die beiden Wissenschaftler bereits 1988 für diese Leistung mit der höchsten Auszeichnung für einen Forscher geehrt. Aber anstatt Lob für den raschen Entschluss zu ernten, hagelte es zumindest vonseiten der Experten aus der Biochemie Vorwürfe aufgrund der gefällten Entscheidung. Mit dem dritten Preisträger Robert Huber vom Max-Planck-Institut für Biochemie waren Eingeweihte nämlich überhaupt nicht einverstanden.
 
 Der umstrittene Preisträger
 
Robert Huber war der Abteilungsdirektor von Johann Deisenhofer, als Hartmut Michel im Frühjahr 1982 um Kooperation gebeten hatte. Die wichtigste Leistung von Huber für diesen Nobelpreis war es, diese Zusammenarbeit zu erlauben, lässt Deisenhofer in seinem Nobelpreisvortrag durchblicken. Damit sollen die wissenschaftlichen Leistungen des Max-Planck-Direktors keineswegs kritisiert werden. Huber hat Großartiges geleistet, er hatte auch die Voraussetzungen geschaffen, die Struktur großer Biomoleküle zu ermitteln. Und er hatte bisweilen auch erklärt, wie Michel die Ergebnisse der Röntgenstruktur-Analyse interpretieren sollte, mit deren Hilfe die Forscher am Ende die Struktur des Reaktionszentrums der Purpurbakterien (Rhodopseudomonas viridis) klären konnten. Mit der konkreten Analyse aber, für die der Chemienobelpreis 1988 verliehen wurde, hatte Huber wenig zu tun.
 
Nun gab es bereits in anderen Bereichen Nobelpreise, die umstritten waren. 1988 aber war dem Komitee ein besonders eklatanter Lapsus unterlaufen. Es gab nämlich einen weiteren Wissenschaftler, der als dritter Laureat nobelpreiswürdig gewesen wäre: Dieter Oesterhelt forschte damals ebenfalls als Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München und war der Chef von Michel. Für das Nobelpreiskomitee gab es somit ein Problem: In Frage kamen für die Auszeichnungen die beiden Wissenschaftler, die konkret die Struktur des Reaktionszentrums des Purpurbakteriums aufgeklärt hatten. Dazu kommen die beiden Chefs der jeweiligen Abteilungen, die üblicherweise zumindest den theoretischen Hintergrund für nobelpreiswürdige Arbeiten liefern. Laut Statuten aber dürfen maximal drei Wissenschaftler ausgezeichnet werden. Warum das Komitee neben Michel und Deisenhofer Huber als dritten Laureaten wählte, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.
 
 Das Bakteriorhodopsin
 
Denn Oesterhelt hatte das Bakteriorhodopsin entdeckt, das in den so genannten Halobakterien eine ähnliche Funktion hat wie Chlorophyll in Pflanzen: Es verwandelt Sonnenlicht in einem »Photosynthese« genannten Prozess in chemische Energie und stellt damit organische Moleküle her. Diese wiederum sind die Bausteine, aus denen Pflanzen sich aufbauen. Wenn Menschen also Salat, Gemüse oder ein Brot essen, verspeisen sie nichts anderes als Sonnenenergie, die Pflanzen verwandelt haben und die am Ende noch ein wenig appetitlich zubereitet wurde. Kurz gesagt: Auf der Photosynthese baut alles Leben auf der Erde auf. Mit Fug und Recht gilt dieser Vorgang damit als die für den Menschen wichtigste chemische Reaktion.
 
Die Grundlagen dieser Energie-Umwandlung waren bereits bekannt. Die Sonnenstrahlen setzen im Reaktionszentrum eines photosynthetisch aktiven Lebewesens Elektronen frei, die über mehrere Proteine weitergegeben werden. Am Ende dieser Kette treiben die Elektronen eine molekulare Pumpe an, die Protonen durch die Zellmembran schleust. Die Bewegung dieser positiv geladenen Wasserstoffatome verändert den Säurewert und das elektrische Potenzial einer Zelle. Diese Veränderung wiederum löst die Bildung des Biomoleküls Adenosintriphosphat aus. Das aber ist der Energietank der Zelle und liefert die Energie für die meisten Prozesse in einem lebenden Organismus, auch für den Aufbau weiterer Biomoleküle.
 
Wie aber genau die Elektronen übertragen werden, die bei diesen Reaktionen eine zentrale Rolle spielen, wusste niemand, da die Struktur der beteiligten riesigen Proteine nicht bekannt war. Genau diese Struktur wollten Michel und Oesterhelt beim Bakteriorhodopsin ermitteln, das bei Halobakterien Sonnenenergie in biochemische Energie umwandelt.
 
 Das Purpurbakterium
 
Bereits 1974 war Michel als Doktorand zu Oesterhelt gestoßen. Michel konnte die für eine Strukturaufklärung mithilfe der Röntgenstrukturanalyse benötigten großen, schönen Kristalle aber nicht aus Bakteriorhodopsin herstellen. Frustriert wandte er sich den Photosynthese-Proteinen anderer Bakterien zu. Im Juli 1981 wurde er beim Purpurbakterium fündig und konnte sehr schöne Kristalle von dessen Photosynthese-Reaktionszentrum herstellen.
 
Mit diesen Kristallen ließ sich eine Röntgenstrukturanalyse durchführen. So konnte die Struktur des komplizierten Proteinkomplexes aufgeklärt werden, der aus Tausenden von Bausteinen besteht. Damit aber war nicht nur bekannt, wie die Photosynthese in Bakterien funktioniert. Gleichzeitig lieferten Rückschlüsse auf die vergleichbare Reaktion in Algen und Pflanzen auch wichtige Hinweise darauf, wie dort die Photosynthese stattfindet.
 
Die Arbeiten von Michel und Deisenhofer haben also tatsächlich den zentralen Prozess allen Lebens auf der Erde aufgeklärt. Umstritten bleibt also nur der dritte Laureat. Oesterhelt hatte sich auch während der Strukturaufklärung zwischen 1982 und 1985 erheblich intensiver bei diesen Arbeiten engagiert als sein Kollege Huber am gleichen Max-Planck-Institut für Biochemie. Oesterhelt hatte aber ausdrücklich erklärt, dass das Verdienst an dieser Arbeit den »jungen Leuten« gehören sollte.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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